Bis zum Ende der 1980er Jahre benutzten mehrere Millionen Menschen, hauptsächlich in Nord-Amerika, den Nahrungsmittelzusatz L-Tryptophan, eine essentielle Aminosäure aus Eiweißen, die normalerweise in jeder Kost vorkommen.
Aminosäuren wie Tryptophan werden routinemäßig in Fermentern hergestellt, in denen entsprechende Mikro-Organismen zum Einsatz kommen.
Ein Hersteller, Showa Denko K. K., brachte auf künstlichem Wege neue Gene in eine Bakterienart ein, um seine Produktion an Tryptophan dadurch zu erhöhen.
Danach erkrankten Ende 1989 ungefähr 5.000 – 10.000 Menschen in Nord-Amerika an einer außergewöhnlichen Krankheit, der EMS (Eosinophilen Myalgie Syndrom) , die durch das Tryptophan von Showa Denko verursacht wurde.
Innerhalb einiger Monate wurden Dutzende dadurch getötet und Tausende lebenslang schwerst geschädigt.
Bis heute leiden Tausende weiterhin ständig unter hässlichen Folgen , und weiterhin sterben einige von ihnen eines frühzeitigen Todes (bis jetzt mindestens 80 Menschen in den USA).
Die Epidemie hörte auf, als der Verkauf des Tryptophan unterbunden wurde.
Die genaue Anzahl aller Getöteten ist nicht bekannt, geht aber möglicherweise in die Hunderte.
Wir betonen nachdrücklich, daß für den Fall, das Thalidomid hätte eine Art von bereits bekannten Defekten bei Neugeborenen ausgelöst, wie z. B. die Gaumenspalte (Wolfsrachen) oder schwerwiegendes geistiges Zurückgebliebensein, wir immer noch nichts über diese Schädigung wissen würden und daß schwangere Frauen weiterhin dieses Mittel wegen seiner unzweifelhaften Vorteile einnähmen.
Die geringfügigen Zunahmen dieser Krankheitsbilder, die zuvor bereits relativ häufig auftraten, wären statistisch nicht signifikant (auffällig) geworden.
Aber in diesem Fall war der beobachtete Schaden von einer Art und Weise, wie ihn die meisten Ärzte niemals zuvor während ihrer gesamten Tätigkeit gesehen hatten – drastische Missbildungen der Arme und Beine – und deshalb wurde man auf die Fälle aufmerksam, obwohl deren Anzahl nicht groß war.
Ähnliches dazu trat bei dem gentechnisch veränderten (GV-) hergestellten Tryptophan der Firma Showa Denko ein, das eine Krankheit (EMS) verursachte, die neuartig war. Deshalb stach die Anzahl der Fälle hervor und fand Beachtung.
Wenn Showa Denko`s Gift stattdessen dieselbe Anzahl einer (allgemein) bekannten Krankheit ausgelöst hätte, z. B. Asthma, würden wir bis heute nichts davon wissen.
Oder wenn es eine Langzeit-Schädigung hervorgerufen hätte, wie z. B. Krebs nach 20 – 30 Jahren oder Altersdemenz bei einigen Menschen, deren Mütter in ihren frühen Jahren diese Substanz während der Schwangerschaft zu sich genommen hatten, hätte es keine Möglichkeit gegeben, diesen Schaden auf seine Ursache zurück zu verfolgen.
Das erinnert uns an die Notwendigkeit zu extremer Vorsicht in Bezug auf GV-Nahrungsmittel.
Man muß solange davon ausgehen, daß sie „schuldig sind“, bis gründliche Tests nahe legen, daß sie, wenn nicht (gleich) unschuldig, so doch im schlimmsten Fall nur für kleinere Gefahren verantwortlich sind.
Das ist nirgendwo auch nur annähernd der Fall, weil die Firmen darauf drängen, ihre GV-Nahrungs-mittel auf den Markt zu bringen.
Es ist sehr enttäuschend festzustellen, daß ein führender Wissenschaftler im Auftrag der Königlichen Gesellschaft von Neu-Seeland (RSNZ) dieses Desaster auf folgende Art beschreibt:
„Seltene Fälle von EMS waren bekannt aus der Zeit vor der Einführung des GV-Bakteriums, was zusätzlich die Hypothese unterstützt, daß EMS nicht mit der gentechnischen Herstellung von Tryptophan zusammenhängt.“
Analog dazu würde es sich bei Contergan so anhören:
„Seltene Fälle, bei denen die Gliedmaßen von Menschen verkürzt und deformiert waren [im Englischen: „seal-limbs“], sind bereits vor der Einführung von Thalidomid bekannt gewesen, was zusätzlich die Hypothese unterstützt, daß seal-limbs nicht in Zusammenhang mit Thalidomid stehen.“
Doch weit wichtiger ist die Tatsache, daß die geringe Anzahl von 100 frühzeitigen EMS-Fällen, die Jahre vor der Epidemie von Ende 1989 auftraten, mit (den) frühen Versionen der von Showa Denko benutzten GV-mikrobiellen Kulturen auftraten und mit diesen in Zusammenhang stehen.
Kein Tryptophan eines anderen Herstellers löste EMS aus.
Ein Vergleich mit den ausgefeilten Prozeduren, die einer Registrierung von Drogen oder pharmazeutischen Substanzen vorauszugehen hat, ist bestürzend.
So hat es ein Jahrzehnt gedauert, um die staatliche Zulassung dafür zu erhalten, Menschen mit einer modifizierten Version des menschlichen Hormons Amylin zur Behandlung von Diabetes zu versorgen.
Bei Gen-Nahrungsmittel jedoch drängt man in großer Eile darauf, daß ihre Freigabe legalisiert wird, dies allerdings nur mit extrem dürftigen Untersuchungen.
Auch ging die Hauptdiskussion hierbei nur bis zur Frage, ob sie denn gekennzeichnet werden sollen.
Eine Kennzeichnung selber wäre nicht falsch, sie kann aber selbstverständlich kein Ersatz für sorgsame Langzeituntersuchungen sein, die nötig sind, bevor überhaupt ein Gen-Nahrungsmittel für den menschlichen Verzehr zugelassen werden dürfte.
Die Kennzeichnung von Gen-Nahrung würde die Bewilligung durch Zulassungsbehörden voraussetzen, so wie dies für die ganze Liste an Inhaltsstoffen von irgendeinem anderen gekennzeichneten Lebensmittel gilt.
Der Unglücksfall von Showa Denko ist ganz wesentlich für das Verständnis [der Gefahren] von Genfood.
Wenn eine gereinigte Chemikalie – die natürliche Aminosäure L-Tryptophan zu mehr als 99 % Reinheit vorliegt und somit ganz bestimmt den weltbekannten Test auf „substantielle Äquivalenz“ erfüllt – sich umdrehen kann, weil sie auf gentechnische Weise hergestellt wird, und dann plötzlich über ein Hundert oder noch mehr Menschen tötet und Tausende verkrüppelt, was muß man dann aufwenden, um eine Kartoffel ausreichend zu überprüfen, die eine ‚exakte’ Kopie eines Gens enthält, das für ein giftiges Protein aus der Afrikanischen Klauenkröte codiert?
Und meisten beunruhigt, daß das Showa Denko Desaster zeigt, daß der Versuch, gereinigte Zucker, Öle etc. aus GVO für „substantiell äquivalent“ zu halten, ein reines Glücksspiel ist.
Die Annahme, das Soja-Öl aus Gen-Sojabohnen sei äquivalent mit dem gewöhnlichen Soja-Öl, erfordert die sorgfältigsten wissenschaftlich möglichen Messungen, um überprüft zu werden.
Einfach nur von einer „substantiellen Äquivalenz“ auszugehen, reicht nicht aus.
Wer im Internet zu diesem Thema recherchiert, wird bald auf die Behauptung von Gentechnik-Befürwortern treffen, daß das Problem nur in der ungenügenden Reinigung des Tryptophan bestand.
Wir stimmen dem aus mehreren Gründen nicht zu – vor allem, weil bereits die ersten 3 gentechnisch veränderten Bakterienstämme EMS auslösten (nämlich ca. 100 bekannt gewordene Fälle).
Das war Jahre vor der nachlässigen Reinigung (Filtrierung) im Januar 1989, als dann das auch gentechnisch hergestellte „Superbakterium“ die Produktion begann und die Epidemie auslöste.
Doch diese Frage kann nicht abschließend geklärt werden, wenn Showa Denko die GV-Mikroben nicht zu einer gründlichen Untersuchung freigibt.
Ob Sie glauben, daß die Verunreinigungen durch ungenügende Reinigung und Überwachung zustande kamen oder durch einen veränderten Stoffwechsel in den GV-Mikro-Organismen oder durch beides, glauben Sie besser, daß der Mythos von einer vermuteten „substantiellen Äquivalenz“ sich als [absoluter] Flop bei dieser Epidemie einer die Menschen tötenden oder verkrüppelnden Krankheit erwiesen hat.
Obwohl Befürworter der Gentechnischen Veränderung behaupten, die EMS-Epidemie sei durch fehlerhaftes Filtrieren verursacht, ist es möglich, deren Seriosität zu hinterfragen.
Denn keiner von ihnen hat öffentlich erklärt, daß die Industrie, die Nahrungsergänzungsmittel für die menschliche Gesundheit produziert, zum Gegenstand gesetzlicher Kontrollen von Reinigungsverfahren und deren tatsächlicher Wirksamkeit werden sollte, so wie dies bei der Pharmazeutischen Industrie der Fall ist.
Doch dies wäre nur allzu logisch, wenn solch eine tödliche Epidemie tatsächlich nur deshalb auftrat, weil eine nicht sachgemäße Reinigung bei der Produktion stattgefunden hatte.
Main sources/ Haupt-Quellen für diesen Artikel:
I. L-Tryptophan Puzzle Takes New Twist, Science 249 988, 31 August 1990
II. Does Medical Mystery Threaten Biotech? Science 250 619, 2 November 1990
III. EMS and Tryptophan Production: A Cautionary Tale, Trends in Biotech 12 346-352, September 1994
IV. Eosinophilia-myalgia syndrome. Results of national surveillance, J Am Med Assoc 264 1698-703 1990
Article taken from:
http://www.connectotel.com/gmfood/trypto.html revised April 2001 from the GE issue of 'Soil & Health (NZ)' Aug '99
Titel des Original-Artikels:
„The Thalidomide of Genetic Engineering” - GE issue of soil & Health (NZ) August 1999
von L. R. B. Mann, D. Straton & W. E. Crist
download bei: http://www.i-sis.org.uk/tryptophan.php?printing=yes
[diesen Aufsatz findet man auch bei vielen weiteren Links]
Übersetzung ins Deutsche durch die gentechnik AG/attac-Bielefeld - Fußnoten wurden vom Übersetzer hinzugefügt
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Nachtrag: L-Tryptophan noch gefährlich (aus GID129, Okt.1998)
Eine neue Sorte von L-Tryptophan könnte sich als genauso gefährlich erweisen wie das vor einigen Jahren wegen zahlreicher Erkrankungs- und Todesfälle vom Markt genommene Schlaf- und Beruhigungsmittel der Firma Showa Denko, das gentechnisch hergestellt wurde. Die Zeitschrift Nature Medicine veröffentliche im September die Forschungsergebnisse von Stephen Naylor und Gerald Gleich von der Mayo Clinic in Minnesota. Die beiden US-Wissenschaftler hatten sechs verschiedene Medikamente untersucht, die auf der leicht abgewandelten Substanz5-Hydroxy-L-Tryptophan basieren. Solche Präparate sind in den USA frei käuflich. Naylor und Gleich fanden heraus, daß auch Medikamente mit 5-Hydroxy-L-Tryptophan die spezielle Verunreinigung ("Peak X") enthalten, die wahrscheinlich vor acht Jahren Auslöser schwerer Erkrankungen gewesen war. Die auch natürlich vorkommende Aminosäure L-Tryptophan war 1990 für die Medikamentenherstellung verboten worden, nachdem eine japanische Firma auf gentechnische Produktion umgestellt hatte und eineinhalbtausend Menschen an der Blutkrankheit EMS-Syndrom (Eosinophiles Myalgie-Syndrom) erkrankten; 30 Menschen starben. Untersuchungen ergaben, daß das L-Tryptophan nach der gentechnischen Herstellung eine Verunreinigung enthielt, die wahrscheinlich entweder allein oder im Zusammenwirken mit L-Tryptophan-Molekülen die Blutkrankheit ausgelöst hatte. Seitdem haben mehrere Hersteller ihre Herstellung umgestellt und produzieren nun das leicht abgewandelte Molekül 5-Hydroxy-L-Tryptophan. Stephen Naylor und Gerald Gleich fanden in den neuen Medikamenten zwar nur zwischen drei und fünfzehn Prozent der Menge an "Peak X", wie sie in dem vom Markt genommenen L-Tryptophan-Präparaten zu finden gewesen war. Dennoch könne ein Risiko nicht völlig ausgeschlossen werden, so die Wissenschaftler. "Das Potential ist da", meinen sie. (Nature Medicine, 9/98)