Weil es eine neue Studie zu Tage bringt, daß bei Mäusen durch eine Technik zur Genom-Editierung Hunderte von unbeabsichtigten Mutationen ausgelöst worden sind, fragt GMWatch, welche Folgen dies für die Sicherheit von Nahrungsmittel-Produkten hat, deren Genome editiert wurden
Eine neue Studie, die im Journal Nature Methods publiziert worden ist, hat festgestellt, daß die Genom-Editierungs-Technologie CRISPR in dem Genom von Mäusen zu Hunderten von nicht geplanten Mutationen geführt hat.
In der Studie sequenzierten die Forscher das komplette Genom von Mäusen, an denen eine Gen-Editierung vorgenommen worden war, um einen genetischen Defekt zu korrigieren.
Die Forscher suchten nach allen Mutationen, einschließlich denjenigen, durch die nur ein einzelnes Nukleotid (eine DNA-Basen-Einheit [entspricht einem einzelnen Buchstaben im genetischen Code]) geändert worden war [sogenannte Einzel-Punkt-Mutation].
Sie fanden heraus, daß die Genome von zwei unabhängigen Empfängern dieser [Art von] Therapie mehr als 1500 Punkt-Mutationen erlitten hatten sowie mehr als 100 größere Löschungen und Einfügungen [von Genen].
Keine dieser DNA-Mutationen war von den Computer-Algorithmen vorausgesagt worden, die verbreitet von Forschern verwendet werden, um das Genom (die gesamte DNA-Sequenz von einzelnen Nukleotiden) eines Organismus nach möglichen Auswirkungen jenseits des Ziel-Ortes [engl. „off-target-effects“ / Nebenwirkungen] zu durchsuchen.
Während diese Studie im Umfeld der Gen-Therapie durchgeführt wurde, hat sie klare Implikationen für die Regulierung von Nahrungsmittel-Pflanzen und Tiere, die mit CRISPR und anderen Genom-Editierungs-Techniken hergestellt werden.
Regulierungs-Behörden rund um die Welt befassen sich zur Zeit mit der Überlegung, wie Genom-editierte Produkte auf ihre Sicherheit abzuschätzen sind.
Viele GVO-Fürsprecher schlagen eine vereinfachte Regulierung oder sogar gar keine Regulierung vor, wobei sie sich auf die Vorannahme stützen, daß das Ergebnis der Genom-Editierungs-Techniken, so wie die von CRISPR, präzise, vorhersagbar und deshalb sicher seien.
Die neue Studie zeigt, daß diese Annahme falsch ist.
Also – wie sollten diese Produkte reguliert werden?
Ein Vorschlag, der vorgestellt wurde, ist, zu verlangen, daß eine Sequenzierung des vollständigen Genoms von Gen-editierten Organismen durchgeführt und den Behörden für die Biosicherheit eingereicht wird.
Aber das gibt Anlaß für eine weitere Frage: falls das gesamte Genom keine Mutationen oder Neben-Effekte außer den beabsichtigten aufweist, sollen wir dann [in Bezug auf die Frage der Sicherheit] beruhigt sein?
Wir baten Dr. Michael Antoniou um einen Kommentar. Dr. Antoniou ist ein in London ansässiger Genetiker, der Gen-Veränderungs-Techniken, einschließlich die Genom-Editierung, benutzt, um Gen-Therapien zu entwickeln.
Dr. Antoniou erklärt:
Ich stimme zu, daß die kompletten Genom-Sequenzen von Gen-editierten Organismen den Biosicherheits-Behörden vorgelegt werden müssen.
Und falls die ganze Genom-Sequenz keine zusätzlichen Mutationen/Neben-Effekte als die intendierten zeigt, wäre das ein bisschen beruhigend.
Jedoch ist es hochgradig unwahrscheinlich, daß dies jemals der Fall sein wird. Eher ist es eine Frage davon, wieviele Neben-Effekte es gibt, als davon, ob sie völlig fehlen.
Die Technologie ist nicht perfekt. Sie wird in Zukunft weniger anfällig für Neben-Effekte sein, weil sie verfahrenstechnisch verfeinert wird, aber es ist extrem unwahrscheinlich, daß sie jemals den Punkt erreicht, wo ihr Ergebnis nur die beabsichtigte Veränderung sein wird.
In einem landwirtschaftlichen Kontext wird die Anwendung von Genom-Editierungs-Technologien zusätzlich Pflanzen-Gewebe-Kulturen mit einschließen, die ihre eigenen inhärenten mutagenen Eigenschaften besitzen.
Deshalb wird es immer ein großes Spektrum von Mutationen geben, die durch die Gewebe-Kultur ausgelöst werden, ganz egal wie präzise die Genom-Editierung werden sollte.
Viele der durch die Genom-Editierung induzierten Mutationen abseits des eigentlichen Ziel-Ortes als auch diejenigen, die durch die Gewebe-Kultur bewirkt werden, werden in Bezug auf ihre Auswirkungen auf die Gen-Funktion ohne Zweifel gutartig sein. Viele werden jedoch nicht gutartig sein, und ihre Effekte können sich bis zum schließlich vermarkteten Produkt fortsetzen, egal ob das eine Pflanze oder ein Tier ist.
Es gibt ein zusätzliches Merkmal, das die Genom-Editierung umso wahrscheinlicher eine Gen-Beschädigung als Nebenwirkung mit sich bringen läßt, die einer gestörten Gen-Funktion führt.
Das kommt aus der Tatsache, daß Neben-Effekte nicht zufällig sein werden, sondern an den Orten innerhalb von Genen geschehen, die der DNA-Nukleotid-Sequenz ähnlich sind, an der die beabsichtigte Veränderung stattgefunden hat.
Dies schließt die jüngere und nicht überraschende Feststellung aus der kürzlichen Studie an Mäusen nicht aus, die herausgefunden hat, daß Neben-Effekte durch CRISPR an Stellen innerhalb des Genom auftreten können, die sich deutlich von der DNA-Basen-Sequenz des anvisierten Ziel-Ortes unterscheiden.
Die Forscher stellten fest, daß die großen Mengen an Neben-Mutationen, die durch CRISPR in Mäusen hervorgerufen wurden, nicht von den üblichen Computer-Algorithmen vorhergesagt werden konnten. (1)
Daher ist es nicht nur notwendig, das gesamte Gnom zu sequenzieren, um sämtliche Mutationen, die abseits des Ziel-Ortes durch eine auf CRISPR gründende Genom-Editierung bewirkt wurden, zu identifizieren, sondern es ist ebenfalls unentbehrlich, die Auswirkungen dieser unbeabsichtigten Veränderungen auf die umfassenden Muster der Gen-Funktion zu ermitteln.
Deshalb muß man der vollständigen Sequenzierung des Genoms weitere Analysen der molekularen Profile folgen lassen oder so genannte „Omik“[-Analysen – siehe Anmerkung unten], wie z. B.: Transkriptomik – das Profil der Gen-Expressionen, Proteomik – das Profil der Zusammensetzung mit Eiweißen, Metabolomik – das Profil der Metabolite [Stoffwechsel-Produkte], und miR-Omik – das Profil der micro-RNAs.
Außerdem ist es wichtig, anzuerkennen, daß die angestrebte Veränderung in einem gegebenen Gen auch zu unbeabsichtigten Auswirkungen führen kann.
Zum Beispiel kann die totale Störung einer Enzym-Funktion zu unerwarteten oder unvoraussagbaren biochemischen Neben-Reaktionen führen, die die Zusammensetzung eines Organismus deutlich ändern können, wie etwa derjenigen von einer Nahrungsmittel-Pflanze.
Die Veränderungen der Zusammensetzung in Nahrungsmittel-Produkten, die durch Genom-Editierungs-Techniken erzeugt werden, werden durch die Methoden zur Ermittlung der molekularen Profile nicht völlig aufgedeckt werden aufgrund der inhärenten Einschränkungen dieser Techniken.
Daher ist weiterhin notwendig, Langzeit-Toxizitäts-Studien mit etablierten Tier-Modell-Systemen durchzuführen.
Beim Fehlen von diesen Analysen zu behaupten, daß die Genom-Editierungs-Techniken präzise und vorhersagbar seien, gründet mehr auf einen Glauben als auf Wissenschaft.
Schlußfolgerung von GMWatch
Aus der Darlegung von Dr. Antoniou schlussfolgern wir, daß die Produkte der Genom-Editierungs-Techniken mindestens so strikt reguliert werden sollten wie die Produkte der GV-Techniken alten Stils.
Tatsächlich sollte die Regulierung für alle Arten von GV-Produkten überholt werden, damit sie molekulare „Omik“-Analysen sowie Langzeit-Tierfütterungs-Studien mit einschließen.
Solche Analysen und Studien werden gegenwärtig von keiner Regulierungs-Behörde irgendwo auf der Welt gefordert.
Quellen
(1) Schaefer KA, Wu W-H, Colgan DF, Tsang SH, Bassuk AG, Mahajan VB. Unexpected mutations after CRISPR-Cas9 editing in vivo. Nat Methods. 2017;14(6):547-548. doi:10.1038/nmeth.4293.
Bericht von Claire Robinson
[Anmerkung der GenAG zu dem Begriff „Omik“:
a) Information aus https://de.wikipedia.org/wiki/-omik vom 7.06.2017:
„Omik (engl. omics) macht als Suffix Teilgebiete der modernen Biologie kenntlich, die sich mit der Analyse von Gesamtheiten ähnlicher Einzelelemente beschäftigen.
Die Proteomik beschäftigt sich zum Beispiel mit dem Proteom, das ist die Gesamtheit aller Proteine, die zu einem definierten Zeitpunkt in einer Zelle, einer Zell-Gruppe, einem Organ oder einem Organismus vorliegen.“
b) Eine gute Darstellung zu diesem Begriff gibt es auf folgender Website:
http://bioinfowelten.uni-jena.de/2016/05/18/omeomics-die-allumfassende-wissenschaft/ ]
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Daten des Original-Artikels:
Titel: CRISPR-induced mutations – what do they mean for food safety?
Autor: Claire Robinson
Veröffentlicht: 01 Juni 2017
URL: http://gmwatch.org/en/news/latest-news/17657-crispr-induced-mutations-what-do-they-mean-for-food-safety
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Die Übersetzung ins Deutsche erfolgte [mit Anmerkungen in Eck-Klammern]
durch die GenAG/attac-bielefeld – Juni 2017
Bitte vergewissern Sie sich beim Original über die Korrektheit der Übersetzung.
URL dieses Dokumentes: http://www.attac-bielefeld.de/fileadmin/user_upload/Gruppen/Bielefeld/Was_bedeuten_durch_CRISPR_verursachte_Mutationen_fuer_die_Nahrungsmittel-Sicherheit.pdf