GMWatch.org meldete kurz:
GV-Etikettierung und Demokratie – Beitrag eines ehemaligen Gentechnikers
Sind Gentech-Pflanzen eine so großartige Neuerung, dass die USA grundlegende amerikanische Prinzipien außer Kraft setzen sollten, um sie auf die Teller der Amerikaner zu bringen? Vielleicht doch nicht, wenn man der ehemaligen Gentechnikerin Dr. Belinda Martineau glaubt.
GVO-Kennzeichnung und Demokratie
Posted am 5. September 2015 von Belinda Martineau
BiotechSalon.com
http://biotechsalon.com/2015/09/05/gmos-and-democracy/
Der Beginn eines Kommentars, der als Antwort auf meinen letzten post erfolgte – „Kann sein, es ist undemokratisch, aber in diesem Fall …“ läßt mir noch keine Ruhe.
Es beunruhigt mich ebenfalls, wenn ich Pflanzen-Molekular-Biologen sagen höre: „Normalerweise würde ich für eine Kennzeichnung sein, aber nicht, wenn man auf GVO zu sprechen kommt.“
Warum sollte irgendjemand um der Nahrungsmittel-Produkte von der Gentechnik willen die Demokratie suspendieren sowie das Kapitalistische Prinzip, das Konsument – Markt-[Verhältnis] [oder: Angebot und Nachfrage] entscheiden zu lassen, ob ein neues Produkt erfolgreich sein wird oder nicht?
Sind Gentechnisch Veränderte Nahrungs-Pflanzen eine solche große Innovation, daß die Vereinigten Staaten grundlegende Amerikanische Prinzipien beiseite legen sollten, um sicher zu stellen, daß GVO schließlich auf den Amerikanischen Speisetischen landen?
Gen-Nahrungsmittel-Produkte und –Bestandteile sind in den USA und anderswo bereits seit mehr als 2 Jahrzehnten verfügbar.
Was sind die Ergebnisse dieses sozialen Experimentes bis jetzt?
Laut Colin Macilwain, in einem opinion piece [Meinungs-Artikel?], der vor kurzem im wissenschaftlichen Magazin Nature veröffentlicht wurde:
„5 Sechstel der GVO-Anbaufläche weltweit befinden sich in Nord- und Süd-Amerika.
Der Rest besteht meistens aus Nicht-Nahrungs-Pflanzen (hauptsächlich Baumwolle), die in Indien und China angebaut werden.
Wenig GVO werden in den Ländern geerntet, die höhere Ernten benötigen, um sich ernähren zu können.
20 Jahre sind um, die Gen-Linien, die sich momentan in ihrer Kultivierung befinden, sind am besten an Notwendigkeiten der großräumigen Industriellen Farmer angepaßt, die sich das Saatgut und die [weiteren] nötigen Produktionsmittel leisten können, die diese Saaten begleiten.“
Das ist auch meine [Bestands-]Aufnahme… obwohl ich hinzufügen würde, daß viel gelber Gen-Mais, der an Orten wie China und die Philippinen angepflanzt wurde, ebenfalls hauptsächlich an Tiere anstatt den Menschen verfüttert wird.
Diese Ergebnisse scheinen darauf hin zu deuten, daß die Bürger der USA viele (wenn nicht die meisten) der Menschen auf dem Planeten umfassen, die im Gegensatz zu jenen in den Entwicklungs-Ländern mit Nahrungsmittel-Knappheit tatsächlich Gen-Lebensmittel essen.
Und im Gegensatz zu den Bürgern in mehr als 60 anderen Ländern auf der Welt, die eine Kennzeichnung von Nahrungsmittel mit Gentechnik-Bestandteilen verlangen, haben die Bürger der USA dieses Recht nicht, und das in einem der demokratischsten Nationen der Erde (was zweifelhaft zu sein scheint) … trotz der Tatsache, daß Umfrage auf Umfrage 80 - 90 % der Amerikanischen Bürger darauf hingewiesen haben, daß sie die Kennzeichnung dieser Nahrungsmittel wollen.
Es ist etwas schrecklich falsch an diesem Bild!
Für mich selber als Amerikanischer Verbraucher sind bereits die Tatsache, daß die Gentechnische Veränderung hauptsächlich zur Unterstützung nicht-nachhaltiger Industrieller Landwirtschaft genutzt wurde, in Kombination mit der Tatsache, daß ihre Förderer - einschließlich akademischer Wissenschaftler – wie es jüngst von der New York Times bestätigt wurde, nicht wollen, daß ich weiß, ob die Nahrungsmittel, die ich im Lebensmittel-Geschäft kaufe, Gen-Inhaltsstoffe enthalten, … nach meinem Verständnis Gründe genug, mit meiner Brieftasche gegen solche Nahrungsmittel zu stimmen.
Daß ich einmal als Gentechnikerin daran beteiligt war, Gentechnik-Nahrungsmittel auf den Markt zu bringen, macht mich umso mehr über die nicht-transparente, nicht-nachhaltige Flugbahn verzweifelt, die die Bio-Technik-Industrie genommen hat, seit ich sie 1996 verließ.
In den USA, in denen ich aufwuchs, gehörten diese Art von Gründen oder jede anderen, von denen Konsumenten überzeugt waren, zu denjenigen, aufgrund derer Kauf-Entscheidungen gefällt wurden.
Wenn mir ein Produkt, seine Verpackung oder … was immer auch nicht gefiel, stand es mir frei, darauf zu verzichten, dieses Produkt zu kaufen.
Damals lag es an den Verkäufern, die Konsumenten zu überzeugen, zu ihren Kunden zu werden.
Und jetzt, nachdem diese Technologie 2 Jahrzehnte Zeit hatte, vorzuzeigen, wie mächtig ihr Potential ist, wobei sie aber, während sie dies tat, nicht der Forderung der Konsumenten Rechnung trug, hat die Agrar-Gentechnik-Industrie relativ wenig vorzuweisen .. außer einer Öffentlichkeit, die - aus Mangel an Gewährleistung von der Langzeit-Sicherheit für Gentechnisch Veränderte Produkte, worüber die Konsumenten in Aufregung geraten könnten, und/oder [aus Mangel an] Transparenz – mehr und mehr die gesamte Bestrebung mit Gentechnik-Nahrung satt hat.
Jetzt könnte es an der Zeit sein, den Musikanten zu bezahlen
Laut Macilwain stehen in Ländern wie „Schottland, Deutschland, Frankreich, Italien und weiteren“ Entscheidungen an, „sich gegen diesen Druck durch die Unternehmen aufzustellen, und die Gen-Pflanzen-Technologie von der Europäischen Landschaft fernzuhalten.“
Und sogar in den USA „sind die Regulierungs-Behörden von John Holdren, Wissenschaftlicher Berater von US-Präsident Barrack Obama, (am 2. Juli 2015) angewiesen worden, das Rahmenwerk der Vereinigten Staaten zur Regulierung der Landwirtschaftlichen Biotechnologie zu revidieren.“
2 Jahrzehnte sind um, es ist an der Zeit, diese Technologie neu zu bewerten … warum und wie sie benutzt wird und wie sie reguliert und vermarktet wird.
Und zu diesem Zeitpunkt täten die wirklich demokratischen Nationen der Erde gut daran, Macilwain’s Mahnung zu beachten:
„ein gutes Risiko-Management beinhaltet die frühe Kommunikation mit der Öffentlichkeit und das sorgfältige Abwägen von vielen Faktoren, nicht nur die wissenschaftliche Risiko-Einschätzung.“
Für die USA würde dies meiner Meinung nach bedeuten, daß Transparenz (über die Kennzeichnung), die Durchführung von Langzeit-Studien, die nötig sind, damit sich die Öffentlichkeit der Gen-Pflanzen versichern kann (wobei mit dem Gen-Mais NK603 begonnen werden soll) und die Einforderung von Einzelfall-Bewertungen für neue Gen-Produkte durch die Regulierungs-Behörden, allesamt notwendig sein werden, wenn es eine Chance dafür soll geben, die Öffentliche Besorgnis herumzudrehen.
Und wenn sich die Öffentliche Besorgnis nicht wendet, wer weiß, ob das „Potential“ der Gentechnischen Veränderung, wie es von Projekten wie dem Golden Rice deutlich gesehen wird (der, falls alles gut geht, vielleicht in 3-5 Jahren marktreif sein wird) jemals realisiert wird.
---------- ende des artikels --------
Daten zum Original-Artikel:
Titel: GMOs and Democracy
Autor: Belinda Martineau
Erschienen: 05.09.2015
URL: http://biotechsalon.com/2015/09/05/gmos-and-democracy/
Übersetzung ins Deutsche mit [Anmerkungen] und Hervorhebungen durch:
GenAG/attac-Bielefeld
Extra-Anmerkung zu diesem Artikel:
Ob das von Belinda Martineau noch weiterhin befürwortete „Golden Rice Project“
jemals realisiert werden wird, wurde bereits kurz nach Erscheinen ihres Artikels fraglich.
Denn auf den Philippinen wurde im Dezember 2015 vom Obersten Gericht der Grünen Gentechnik ziemlich Einhalt geboten – und gerade das Internationale Reisforschungs-Zentrum ist dort ansässig, siehe:
„Philippines Supreme Court ban on GMOs a „mayor setback“ for the GM industry“
http://gmwatch.org/news/latest-news/16594
UND die Entscheidung dieses Obersten Gerichtes bei:
http://sc.judiciary.gov.ph/pdf/web/viewer.html?file=/jurisprudence/2015/december2015/209271.pdf
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Wir empfehlen dem Leser unbedingt folgende zusätzliche Lektüre:
http://www.attac-bielefeld.de/fileadmin/user_upload/Gruppen/Bielefeld/gentechnik-ist-sehr-anders.pdf
sowie:
http://www.attac-bielefeld.de/fileadmin/user_upload/Gruppen/Bielefeld/wie_GenFood_mit_Verzerrungen_verteidigt_wird.pdf