Der New Internationalist blickt darauf, wie Wissenschaftler behandelt werden, deren Forschungs-Arbeit die Sicherheit von Gentechnisch Veränderten Organismen (GVO) hinterfragen
Der folgende Artikel (s. u.) von Claire Robinson von GMWatch, wurde in dem Magazin New Internationalist als Teil einer Spezial-Ausgabe über Monsanto veröffentlicht. Briten können die Kopie bei Nachrichten-Agenturen kaufen oder jeder kann die Artikel auf ihrer Website lesen, denn sie bleiben für den nächsten Monat veröffentlicht.
Auszug: Carman berichtet, dass sie nach den Attacken aus zwei aufeinander folgenden Universitäts-Posten gedrängt wurde.
Sie hat Glück und ist nicht auf das Geld aus einer Universitäts-Anstellung angewiesen, aber sie weist darauf hin, dass das bei den meisten Wissenschaftlern nicht so ist.
„Jeder Wissenschaftler an meiner Stelle, der von einem Universitäts-Einkommen abhängig ist, um zu essen oder eine Hypothek zu bezahlen, würde sich gezwungen fühlen, die Forschung zu GVO zu beenden.“
Steht Monsanto auf Seite der Wissenschaft?
Claire Robinson
New Internationalist, April 2015
http://newint.org/features/2015/04/01/monsanto-science-safety/
[Quellen und Links dazu gibt es bei dieser URL]
* Monsanto positioniert sich als Meister (in) der Wissenschaft, und Gentechnik-Befürworter teeren Kritik mit dem Vorwurf von „Unwissenschaftlichkeit“ oder „Anti-Wissenschaft“. Aber trifft das zu? Claire Robinson blickt darauf, wie Wissenschaftler, die die Sicherheit von GVO (Gentechnisch Veränderten Organismen) untersuchen, behandelt werden.
Als sich die Australische Wissenschaftlerin Judy Carman entschied, die Tier-Fütterungs-Studie mit Gen-Pflanzen durchzuführen, bat sie drei GVO-Firmen, die jeweiligen Saaten zur Verfügung zu stellen.
Ein Unternehmen antwortete nicht, ein anderes wollte zuerst Details über ihre Studie.
Monsanto sandte ihr einen Vertrag zur Unterzeichnung zu, um damit zu erklären, dass sie ihre Forschungs-Ergebnisse vor einer Veröffentlichung zuerst dem Unternehmen geben würde.
Carman sagte dazu: „Wir wären rechtlich daran gebunden gewesen, das zu tun, egal ob sie uns Saatgut geben würden oder nicht.
Kein sensibler Wissenschaftler würde solchen Bedingungen zustimmen, und das taten auch wir nicht.“
Wissenschaftler, die herausfinden wollen, ob eine Gentechnisch Veränderte (kurz: Gen-) Pflanze sicher für den Verzehr ist oder die Umwelt schädigt, benötigen Zugang zum Saatgut der jeweiligen Gen-Varietät als auch ihrer isogenen nicht gentechnisch veränderten Eltern-Varietät, von der sie entwickelt wurde, und die beide unter denselben Umständen gewachsen sein sollen.
So weiß man anschliessend bei jeglichen Unterschieden, die in einem Versuch gefunden werden, der die Auswirkungen dieser Gen-Pflanze und zur Kontrolle die der nicht-Gen-Pflanze untersucht, dass sie mit der Gentechnischen Veränderung zusammenhängen und nicht auf einen anderen Faktor zurückzuführen sind, wie z. B. unterschiedliche Anbau-Bedingungen.
Aber Monsanto und andere Gen-Unternehmen, schränken den Zugang zu ihren Saaten für unabhängige Wissenschaftler ein.
Jeder der patentiertes Monsanto Gen-Saatgut kauft, muß eine Technologie-Vereinbarung („Technology Agreement“) unterschreiben und sich dadurch verpflichten, das Saatgut oder die Pflanzen nicht zu Forschungs-Zwecken zu verwenden und sie auch nicht irgendjemand anderem zu einen solchen Zweck auszuhändigen.
Und sogar im Fall, wenn die Firmen die Erlaubnis zur Durchführung von Forschungs-Vorhaben erteilen, behalten sie sich typischerweise das Recht vor, die Veröffentlichung blockieren zu können, falls die Resultate „nicht schmeichelhaft“ (engl: „not flattering“) sind, wie es im wissenschaftlichen Amerikanisch genannt wird.
Schließlich verwendete Carman nicht-isogene Pflanzen als Futter für die Schweine in der Kontroll-Gruppe und bemerkt dazu an, dass Gentechnik-Firmen behauptet haben, und viele Regierungs-Behörden dem zustimmten, dass die benutzten Gen-Pflanzen „substantiell äquivalent“ mit den Nicht-Gen-Pflanzen seien.
Sie fand toxische Effekte, bei den mit Gen-Pflanzen gefütterten Schweinen – also können die Gen-Pflanzen nicht substantiell äquivalent sein.
Der Französische Wissenschaftler Gilles-Eric Séralini hatte ebenfalls Schwierigkeiten, an Saatgut für seine Ratten-Fütterungs-Studie mit dem Monsanto Gen-Mais NK603 heranzukommen.
Kein Bauer wollte riskieren, seine Technologie-Vereinbarung mit Monsanto zu brechen.
Letztlich war ein Schul-Bauernhof bereit, diese Pflanzen anzubauen, allerdings nur unter der Bedingung, nicht genannt zu werden, aus „Furcht vor Repressalien“ von Monsanto.
Nathanael Johnson, Autor über Nahrungsthemen, hat erklärt, dass seit 2009 das Problem, Zugang zu Saatgut zu erhalten, „weitgehend fixiert“ wurde, und zwar aufgrund von Forschungs-Vereinbarungen, die zwischen GVO-Firmen und bestimmten Universitäten erreicht worden waren.
Aber nach Kenntnis von Carman sind das “Geschäftlich-Vertrauliche“ Forschungs-Vereinbarungen für den Zweck, neue GVO herzustellen, jedoch nicht solche, um die Sicherheit zu untersuchen.
Jedenfalls ist es uns nicht gestattet, die Konditionen kennen zu lernen und zu prüfen, die für die Forscher aufgestellt werden.
Wissenschaftler unter Angriff
Was ist falsch daran, Monsanto im Voraus über unsere Arbeit zu informieren?
Wissenschaftler, deren Arbeit die Sicherheit von Gen-Pflanzen in Frage stellt, behaupten, Angriffen auf sich selbst und auf ihre Untersuchungen ausgesetzt worden zu sein.
Sie drücken die Befürchtung aus, dass, wenn man Monsanto über geplante Forschungen benachrichtigt, dies der frühzeitigen Vorbereitung von Angriffen dienlich ist.
In einigen Fällen haben Pro-GVO-Wissenschaftler versucht, Herausgeber einzuschüchtern, die betreffende Studie nicht zu veröffentlichen oder sie zurückzuziehen, wenn diese bereits publiziert war.
In den 1990er Jahren berichtete der Herausgeber des The Lancet, ihm sei von einem Senior-Mitglied der Britischen Königlichen Gesellschaft gedroht worden, dass seine Arbeitsstelle in Gefahr sei, sollte er die Forschung von Arpad Pusztai, einem Wissenschaftler am Rowett Institut in Schottland, veröffentlichen.
Die Forschungs-Arbeit von Pusztai hatte toxische Effekte bei Ratten festgestellt, die mit Gen-Kartoffeln gefüttert worden waren.
Der Herausgeber publizierte die Arbeit dennoch, Pusztai wurde Zielscheibe einer Diffamierungs-Kampagne von Gentechnik-freundlichen wissenschaftlichen Organisationen und Einzel-Personen, die versuchten, ihn und seine Arbeit unglaubwürdig werden zu lassen.
Er verlor seinen Job, die Finanzierung und das Forschungs-Team, und er wurde mit einer lächerlichen Anordnung geohrfeigt, die ihm untersagte, über seine Forschung zu sprechen.
Laut einem der ehemaligen Verwaltungs-Angestellten am Rowett wurde die Kampagne, Pusztai zum Schweigen zu bringen, durch einen Anruf von Monsanto bei USA-Präsident Bill Clinton in Bewegung gesetzt, der den Britischen Premier-Minister Tony Blair anrief, der in Folge darauf das Rowett Institut antelefonierte.
Ein Rowett-Direktor sagte: „Tony Blair’s Büro war von den Amerikanern unter Druck gesetzt worden, die dachten, unsere Studie würde der Gentechnik-Industrie und besonders Monsanto schaden.“
Eine ähnliche Schmier-Kampagne gegen eine Studie aus dem Jahr 2001, die Kontaminationen mit GVO im ursprünglichen Mexikanischen Mais gefunden hatte, wurde bis zu Bivings Wodell zurückverfolgt, einer PR-Firma, die für Monsanto tätig ist.
Das Klima für unabhängige Forscher, die Risiken von GVO untersuchen, hat sich nicht verbessert, obwohl Monsanto und andere GVO-Unternehmen bei Angriffs-Kampagnen weniger zu sehen sind – und überhaupt gar nicht dabei involviert sein müssen.
Sie haben viele Fuss-Soldaten an Universitäten und Institutionen, die ihre Schlachten kämpfen, ohne offensichtliche Beteiligung von Seiten der Unternehmen, so wie es die folgenden Beispiele über die Behandlung von Forschern zeigen.
Gilles-Eric Séralini: Der Französische Forscher veröffentlichte 2012 im Journal Food and Chemical Toxicology eine Langzeit-Studie, die Schädigungen von Leber und Nieren in Ratten feststellte, denen Monsantos Gen-Mais und kleine Mengen des Herbizides Roundup verfüttert wurden, das für den Einsatz während des Wachstumsphase der Pflanzen entwickelt wurde.
Sobald die Studie publiziert war, schlossen sich Wissenschaftler aus Universitäten einer bösartigen Schmier-Kampagne an.
Nach einem Jahr Druck und nach der Berufung eines ehemaligen Monsanto-Wissenschaftlers in das Herausgeber-Gremium des Journals, zog der Herausgeber die Studie zurück.
Der Grund, den er hierfür angab, war die vermeintliche „inkonklusive“ Natur einiger der Resultate.
Aber Dr. Schubert, ein Professor am Salk Institut für Biologische Studien in Kalifornien, meint dazu:
„Als Wissenschaftler versichere ich Ihnen, dass, wenn dies ein gültiger Grund für eine Zurücknahme einer Publikation wäre, dann würde ein Grossteil der wissenschaftlichen Literatur nicht existieren.“
Die Studie von Séralini wurde später von einem anderen Journal wieder veröffentlicht.
Viele der Angreifer von Séralini wiesen Interessens-Konflikte mit der Gen-Industrie auf - aber diese wurden der Öffentlichkeit gegenüber nicht erklärt.
Die Europäische Behörde für Lebensmittel-Sicherheit, EFSA (European Food Safety Authority), kritisierte ebenfalls diese Studie, aber diese Behörde ist nicht unabhängig:
Über die Hälfte der EFSA-Experten, so wurde herausgefunden, stehen in Interessens-Konflikten mit den Industrien, die sie regulieren.
Judy Carman: Nachdem Carman die Förderung durch die Regierung für eine Fütterungs-Studie mit GVO erhalten hatte, erlitt sie innerhalb von 10 Jahren sechs persönliche Angriffe durch Pro-GVO-Wissenschaftler.
Sie griffen sie über ihre Universität an und behaupteten, sie würde lügen, die Universität in Misskredit bringen oder, dass Carman ihre Angreifer verleumden würde.
Carman dazu: „Es war offensichtlich für mich, dass sie mich zerstören wollten.“
Sie berichtet, dass sie nach den Attacken aus zwei aufeinander folgenden Universitäts-Posten gezwungen wurde.
Sie hat Glück und ist nicht auf das Geld aus einer Universitäts-Anstellung angewiesen, aber sie weist darauf hin, dass das bei den meisten Wissenschaftlern nicht so ist.
„Jeder Wissenschaftler an meiner Stelle, der von einem Universitäts-Einkommen abhängig ist, um zu essen oder eine Hypothek zu bezahlen, würde sich gezwungen fühlen, die Forschung zu GVO zu beenden.“
Manuela Malatesta: Die Italienische Forscherin fand heraus, dass Monsanto’s Gen-Soja die Funktionen von Leber, Bauchspeichel-Drüse sowie der Hoden von Mäusen störte.
Nachdem sie die wissenschaftlichen Arbeiten über ihre Forschung veröffentlicht hatte, sagt sie, wurde sie aus ihrer Arbeits-Stelle an der Universität gedrängt, wo sie seit 10 Jahren gearbeitet hatte, und konnte dann keine Finanzierung mehr für die Weiterführung ihrer Forschung erhalten.
Dazu ihr Kommentar:
„Forschung an GVO ist jetzt tabu. Man kriegt kein Geld dafür … Die Leute wollen nicht, daß Antworten auf beunruhigende Fragen gefunden werden.
Das ist das Ergebnis einer weit verbreiteten Angst vor Monsanto und GVO im Allgemeinen.“
Zu diesen beschriebenen Fällen meint Michael Antoniou, ein in London ansässiger Molekular-Genetiker, dass die normale wissenschaftliche Reaktion auf beunruhigende Ergebnisse sei, mehr Versuche zu entwerfen, um der Frage auf den Grund zu gehen, ob wirklich Anlaß zur Besorgnis um die Gesundheit und um Auswirkungen auf die Umwelt besteht.
Doch auf dem Feld von Gen-Pflanzen und Gen-Nahrungsmitteln geschieht das nicht.
Stattdessen, so Antoniou, „versucht die Gen-Lobby die Studie und die Wissenschaftler, die sie durchführten, unglaubwürdig zu machen.
Das ist verabscheuenswürdig und außergewöhnlich in der Geschichte der Wissenschaft.
Die Unternehmens-Universität
Es ist keine Überraschung, dass viele Wissenschaftler und Organisationen sich selber mit der Gentechnik-Industrie verbinden, da sie sehr von der finanziellen Förderung durch die Industrie abhängen.
Gen-Unternehmen haben ihre Vertreter in Universitäts-Gremien und finanzieren Forschungen, Gebäude und Abteilungen.
Monsanto hat der Stiftung der Universität von Florida mindestens eine Million Dollar gegeben.
Viele Universitäten der USA, die an Nutzpflanzen forschen, werden von Monsanto ausgehalten.
Einige akademische Wissenschaftler sind Eigner von GVO-Patenten und in ‚Spin Off’-Unternehmen eingebunden, die Gen-Pflanzen entwickeln.
Das öffentliche Institut Rothamsted Research zählt Monsanto zu seinen Mitarbeitern.
Monsanto sponserte wiederholt das Rowett Institut, bevor Pusztai mit seinen Ergebnissen an die Öffentlichkeit trat.
Aus Universitäten sind Geschäfte geworden, und aus Wissenschaftlern wurden Unternehmer und Händler.
Die finanzielle Förderung öffentlicher Institutionen ermöglicht den Unternehmen, die Forschungs-Ressourcen auf Gebiete zu lenken, von denen sie profitieren.
Die Unternehmen entwickeln in Partnerschaft mit der öffentlichen Institution patentierte Gen-Pflanzen, und die Institution erschafft eine Forschung, die, mit dem Stempel von Akademischer Objektivität, die Regulierungs-Behörden von der Sicherheit und Leistungs-Fähigkeit der Gen-Pflanzen überzeugen kann.
Als zusätzlichen Bonus für die Unternehmen gibt es eine Versorgung mit Wissenschaftlern, die vorbereitet sind, um als Advokaten für GVO zu handeln.
Sie werden häufig nur mit ihren öffentlichen Anbindungen beschrieben, sogar obwohl sie und ihre Einrichtung vom Geld der Gen-Industrie abhängen.
Steht Monsanto auf der Seite der Wissenschaft?
Die Antwort scheint zu sein: „Nur dann, wenn Monsanto die Wissenschaft kontrollieren und von ihr profitieren kann.“
Das läuft dem Geist wissenschaftlichen Nachforschens zuwider, der frei dazu sein muss, dorthin zu gehen, wohin die Daten führen, wie unbequem auch immer die sich für das Geschäftskonzept eines Unternehmens erweisen mögen.
—
Claire Robinson ist gemeinsam mit zwei Gen-Technikern Autorin der Dokumentation GMO Myths and Truth, verfügbar zum freien Download bei earthopensource.org
Sie ist Herausgeberin bei GMWatch, einem öffentlichen Nachrichten- und Informations-Dienst zu Gentechnisch Veränderten Pflanzen und Nahrungsmitteln.
— Ende der Übersetzung durch GenAG/attac-Bielefeld ——
Nähere Informationen zu der Séralini-Studie von 2012 gibt es auf Deutsch in diesem zusammen fassenden Artikel von Claire Robinson:
http://www.attac-bielefeld.de/fileadmin/user_upload/Gruppen/Bielefeld/Gesundheitliche_Bedeutungen_der_2-Jahres-Studie_von_Seralini.pdf
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URL dieses Dokumentes:
http://www.attac-bielefeld.de/fileadmin/user_upload/Gruppen/Bielefeld/steht-monsanto-auf-seite-der-wissenschaft.pdf