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Wir können mit keiner größeren Berechtigung sagen, daß GV-Nahrungsmittel sicher sind, als zu behaupten, Schlangen seien sicher. - Bericht: Claire Robinson.

Ein Artikel von Jane E. Brody, der früher in diesem Jahr veröffentlich worden war, trug den Titel: „Sind GV-Nahrungsmittel sicher?“ Die Argumente aus Brody’s Artikel sind immerwährend, denn sie tauchen wieder und  wiederholt in den PR-Botschaften der GVO-Lobby auf [GVO = gentechnisch veränderter Organismus]. Unten folgt eine Erklärung, wieso ihre Aussagen falsch und irreführend sind, und ein Kommentar des Ökologen Prof. Philip Regal.

In ihrem Artikel behauptete Brody: „In den Jahrzehnten, seitdem die ersten gentechnisch veränderten Nahrungsmittel auf den Markt kamen, sind keine ungünstigen Auswirkungen auf die Gesundheit festgestellt worden. Das soll nicht bedeuten, daß es keine gibt, aber daß, so hart die Gegner dieser Technologie auch gesucht haben, bis heute noch keine definitiv erkannt worden sind.“

Brody setzt voraus, daß die gentechnische Veränderung nichts ist, worüber man sich Sorgen machen sollte, weil „Bauern und landwirtschaftliche Wissenschaftler haben seit Jahrhunderten die Nahrungsmittel, die wir essen, mithilfe von Züchtungs-Programmen genetisch verändert, was weitgehend und größtenteils unkontrollierte Veränderungen des genetischen Materials zum Ergebnis hatte.“

Brody bezieht sich auf eine Umfrage, die herausfand, daß eine Mehrheit der allgemeinen Öffentlichkeit – 57% - sagt, daß GV-Nahrungsmittel unsicher bei Konsum sind, aber 88 % der Wissenschaftler, die mit der American Association for the Advancement of Science (AAAS) verknüpft sind, glauben, daß GV-Nahrungsmittel generell sicher sind. Sie behauptet, daß die letztgenannte beruhigende Ansicht „von der American Medical Association, der National Academy of Sciences, der AAAS, und der WHO bestätigt wird“.

Brody schlussfolgert: „Konsumenten, die sich über den wachsenden Gebrauch von GVOs in den Nahrungsmitteln beunruhigen, auf die wir angewiesen sind, könnten darüber nachdenken, eine ausgewogenere Herangehensweise anzunehmen als die bloße Opposition. Statt Gentechnik rundum abzulehnen, nehmen Sie sich eher etwas Zeit, um erfahren, wie sie funktioniert und was ihre Vorteile sind, die sie jetzt und für die Zukunft bietet, wo die Klima-Veränderung immer größere Spuren in der Nahrungsmittel-Versorgung  hinterlässt. Denken Sie darüber nach, Anstrengungen zu unterstützen, die zu sicheren Produkten führen, die Verbesserungen gegenüber dem Original darstellen, und Ihren Widerstand gegen diejenigen Produkte zu richten, die weniger wünschenswert sind.“

Wüste Ungenauigkeiten

Brody’s Behauptungen waren wüst ungenau, sie sind ein Zeugnis für schlampige und nicht vorhandene Nachforschung. Ihr Artikel ignorierte folgende Fakten:

1. Die Gentechnische Veränderung [GV] ist fundamental anders als natürliche Pflanzen-Züchtung und bietet verschiedenartige Risiken dar. Dies wird weltweit in Gesetzen und Internationalen Richtlinien für die GV anerkannt.

2. Niemand hat irgendwelche Studien zu gesundheitlichen Auswirkungen auf Menschen, die GVOs essen durchgeführt. Deshalb ist Brody’s Behauptung, daß die Gegner von GVOs „hart“ nach Evidenz für Schäden gesucht hätten, falsch. Viele Tierstudien andererseits haben tatsächliche und potentielle Schädigungen durch GV-Nahrung gefunden. Diese von Experten geprüften Studien wurden in dem Buch „GMO Myths and Truths“ zusammengefaßt, von dem ich neben 2 Gentechnikern eine Mit-Autorin bin, ebenso wie in einem durch Fachleute begutachteten Artikel von Prof. Sheldon Krimsky.

3. Brody schoß ein Eigentor, als sie einräumt: „Das soll nicht bedeuten, daß alles, was im Namen der Gentechnik getan wurde, eine eindeutige Gesundheits-Bescheinigung besitzt. Es besteht eine ziemliche Kontroverse über die Verwendung von genetisch modifizierten Saaten, die Kulturpflanzen hervorbringen wie Soja, Mais, Raps, Alfalfa, Baumwolle und Sorghumhirse, die resistent gegen Glyphosat, ein weit verbreitet eingesetztes Herbizid sind, dessen Auswirkungen auf die Gesundheit noch uneindeutig sind.“
 
Abgesehen davon, daß es nirgendwo auf dem Markt Glyphosat-resistente GV-Sorghumhirse gibt, gesteht Brody hiermit tatsächlich ein, daß bis zu 90 % aller GV-Pflanzen, die in den USA angebaut werden, potentiell unsicher sind. Nämlich deshalb, weil ungefähr dieser Anteil von den US-amerikanischen Soja- Mais- und Baumwoll-Pflanzen gentechnisch derart verändert wurde, um mit Herbiziden angebaut zu werden, die Glyphosat enthalten und denen Brody bereitwillig eine „Kontroverse“ über ihre gesundheitlichen Effekte zugesteht. Ganz besonders die Krebs-Forschungs-Agentur (IARC) der Welt-Gesundheits-Organisation (WHO) hat Glyphosat als ein „wahrscheinliches“ Karzinogen für den Menschen eingestuft.

4. Brody’s Behauptung, daß angesehene Körperschaften von Experten geschlußfolgert hätten, daß GVO sicher sind, ist extrem irreführend und zeigt, daß sie die Erklärungen der betreffenden Organisationen nicht wirklich gelesen hat. Zum Beispiel ist das, was die WHO tatsächlich über die Sicherheit von GV-Nahrungsmitteln sagt, diametral entgegengesetzt zu dem, was Brody behauptete. Die WHO erklärte: „Einzelne GV-Nahrungsmittel und ihre Sicherheit sollten auf der Grundlage eines jeden Falles für sich alleine eingeschätzt werden“ und daß „es nicht möglich ist, generelle Aussagen über die Sicherheit aller GV-Nahrungsmitteln zu machen“. Das ist sehr weit davon entfernt, dem Standpunkt beizupflichten, daß „GV-Nahrungsmittel generell sicher sind“, so wie es Brody behauptet hat.  
     
Ich stimme der Meinung der WHO zu – ebenso wie dies viele Experten-Organisationen tun, die sich mit der Evidenz befaßt haben. Diese Experten-Körperschaften schlußfolgern unterschiedlich, daß GV-Nahrungsmittel nicht bewiesen haben, sicher zu sein, daß einige unsicher zu sein scheinen und/oder daß sie gekennzeichnet werden sollten, solange das letzte Urteil noch aussteht. Obwohl Brody ihren Artikel mit einem Beharren darauf beendet, daß es nicht möglich ist, Generelles über GVOs auszusagen, übt sie sich selber im Generalisieren, indem sie voraussetzt, daß sie als eine Klasse sicher seien.

Professor: Man kann nicht davon ausgehen, daß alle Schlangen sicher sind  

Philip J. Regal ist ein ehemaliger Professor für Ökologie, Verhalten und Evolution an der Universität von Minnesota, der das Unterfangen mit GV-Nahrungsmittel seit ihrem Beginn beobachtet hat. Er bot folgende Analyse von Brody’s Artikel an:

„Damals in den 1980er Jahren stimmten Hunderte Wissenschaftler, die dieses Thema untersuchten, darin überein, daß es in den gentechnisch veränderten Pflanzen und Tieren potentielle Risiken für die Gesundheit gibt. Aber auf wissenschaftlichem Wege mußte es eine Risiko-Bewertung jeweils für den einzelnen Fall geben, und es konnte kein kategorisches grünes oder rotes Licht für alle GV-Nahrungsmittel festgesetzt werden. Es kann mit keiner größeren Berechtigung eine typische Probe eines GV-Nahrungsmittels geben, als man berechtigt wäre zu sagen, daß alle Schlangen sicher sind oder auch nur, daß sie meistens sicher sind, weil die eine, die aus dem Garten genommen worden war, sicher ist. Man muß ihr Maul öffnen und nach Fangzähnen Ausschau halten und jede spezielle Art von Schlange nach ihrem eigenen Recht beurteilen, oder die Art kennen, mit der man anfängt.

„Aber die Industrie entschied schnell und ließ uns wissen, daß sie keine solche Einzel-Fall-[Risiko]-Bewertungen haben wollte, weil sie viel zu teuer wären.  Also haben ihre PR-Bemühungen Druck in Richtung einer kategorischen Gesundheits-Bescheinigung gemacht, um den teuren Einzelfall-Beurteilungen zu entgehen, von denen sie behaupteten, daß sie ihre Industrie töten würden.

„Brody ist das doch rausgerutscht (‚Um die Langzeit-Sicherheit zu beweisen, wären unerschwinglich teure Jahrzehnte mit der Untersuchung von Hunderttausenden von GVO-Konsumenten und der gleich großen Kontrollgruppe von Nicht-GVO-Konsumenten erforderlich’) aber sie verfehlt, dieses Problem in den Zusammenhang zu stellen oder seine Folgen für die politische Gestaltung zu erklären.

„Das Ergebnis ist ein Artikel, der einfach polemisch und nicht lehrreich ist. Wir sind bei einem öffentlichen Pseudo-Dialog angekommen, besonders in den Vereinigten Staaten. Bereits der Titel dieses Artikels gibt der strittigen Frage einen in die Irre führenden Rahmen und beginnt dann über GVO zu sprechen, als ob sie wissenschaftlich als eine Kategorie charakterisiert werden, die sicher oder unsicher ist. Das ist als würde gefragt: „Ist es sicher nachts auf der Straße zu fahren?“ Das eine dumme Frage ohne einen nützlichen Kontext, z. B. welche Wetter- oder Straßen-Bedingungen einige Straßen in der Nacht gefährlich machen könnten.

„Es ist ebenso bedeutungslos zu sagen, daß 90 % der Wissenschaftler glauben, GV-Nahrungsmittel seien sicher, wie zu sagen, daß 90 % der Polizisten meinen, in der Nacht zu fahren sei sicher.

Keine angemessenen Studien

Prof. Regal erklärt weiter: „Die Wissenschaft hierbei ist kompliziert. Die meisten Wissenschaftler, selbst die meisten Molekular-Biologen, haben das nicht studiert. Außerdem hat es keine geeigneten empirischen wissenschaftlichen Untersuchungen der Produkte gegeben, die zurzeit auf dem Markt sind, und so bleibt uns nur zu rätseln. Warum also sollte man nicht ehrlich sein und sagen: „Um die 90 % von einigen Wissenschaftlern – vielleicht einschließlich der Geologen – ERRATEN, wenn man sie ausquetscht, daß die meisten der derzeit auf dem Markt befindlichen GVO wahrscheinlich sicher bei Verzehr sind. Aber sogar noch weniger können sie dazu sagen, was die Zukunft bringen könnte, wenn die Nahrungsmittel-Versorgung zunehmend gentechnisch modifiziert wird.

Ich beriet ein größeres Unternehmen aus dem Agrar-Geschäft, das Gene von Spinnen und Skorpionen in Lebensmittel-Pflanzen als interne Pestizide hinein gesetzt hatte. Ich überzeugte sie, das Projekt fallen zu lassen. Sie verfügten über ein Team von Wissenschaftlern, die seit Jahren daran arbeiteten, und 100 % von ihnen glaubte, daß es sicher sei, weil diese Tier Gifte nicht giftig für Säugetiere sind – bis wir unsere Diskussion hatten. Sie hatten zum Beispiel nicht an die Allergenität von Tiergiften der Gliederfüßler gedacht, die sehr gefährlich und fatal sein kann. Es gibt einen Unterschied zwischen Toxizität und Allergenität, aber beide können fatal sein. Es ist nicht wissenschaftlich, nur eine Stimme herauszugreifen, besonders eine Stimme von Wissenschaftlern, die ein Thema nicht gründlich studiert haben. Dieses Team [damals] wenigstens wollte seinen Konsens gegen-prüfen.“

Potentiell tödliche Allergenität eines GV-Lebensmittels

Hinsichtlich der möglicherweise Allergenität von GV-Nahrungmitteln, sagte Prof. Regal: „Vor ein paar Jahren warnte Professorin Marion Nestle in einem Editorial im New England Journal of Medicine (NEJM), daß die Industrie DNA aus Mikro-Organismen und anderen Geschöpfen in die Nahrungsmittel hineinbringt, über die wir so gut wie nichts wissen, und betonte die dringliche Notwendigkeit, die Grundlagen- und die klinische Forschung zu Nahrungsmittel-Allergien auszuweiten. Das Editorial wurde von einem Artikel im NEJM begleitet, der dokumentierte, daß eine potentiell tödliche Allergenität mittels Gentechnik von den Paranüssen unerwarteterweise in eine Lebensmittel-Pflanze, nämlich Soja, übertragen worden war.

„Die beteiligten Wissenschaftler waren überrascht, weil sie dachten, das [GV-Soja] sei sicher. Das Problem wurde erst in letzter Minute erkannt und das Projekt wurde gestoppt, bevor irgendein Schaden angerichtet worden war.

„Wir hatten Glück, daß es gut bekannt ist, daß Paranüsse für einige Personen tödlich sein können, und daß die Gentechniker überzeugt werden konnten, Tests mit ihren Pflanzen zuzulassen. Nestle’s Warnung im Editorial war wissenschaftlich umsichtig und keine Hysterie. Man fragt sich, ob Brody ihre Hausaufgaben gemacht hat oder ob sie nur die Standardfloskeln aus der PR der Industrie weitergibt.

„Ein informativer Artikel in der New York Times würde vielleicht erklären, warum es Gründe gibt, um vorsichtig zu sein, wenn man GV-Nahrungsmittel herstellt oder ißt, abhängig von der jeweiligen Art eines GV-Nahrungsmittels. Die Parallele hierzu wäre ein Artikel, der erklärt, warum einige Straßen durch Eis, Schlaglöcher, kreuzende Tiere, Steinschlag und betrunkene Fahrer gefährlich werden können und daß diese [Gefahren] bei Nacht schwerer zu sehen und zu meiden sind

„Was also ist Brody’s  Artikel? Er ist keine Neuigkeit. Er ist keine öffentliche Dienstleistung. Er ist keine Hintergrund-Information. Bitte, sagen Sie es mir.“
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Daten zum Original-Artikel:
Titel: Are GMO foods safe? Don’t ask the New York Times - Autor: Claire Robinson  
Datum: 19. November 2018  -  URL: https://gmwatch.org/en/news/latest-news/18591

Übersetzt mit englischen Originalnamen in Kursiv  
und eigenen Anmerkungen in [Eck-Klammern]

von: GenAG/attac-bielefeld (Dezember 2018)