Exklusiv-Interview von Sustainable Pulse
Caius Rommens, der ehemalige Direktor von J.R. Simplot und Team-Leiter bei Monsanto, hat die versteckten Gefahren von den gentechnisch veränderten [kurz: GV-] Kartoffeln, die er kreierte, in einem breit gefächerten Interview für Sustainable Pulse aufgedeckt, und zwar an dem selben Tag, als sein Buch „Pandora’s Potatoes – The Worst GMOs“ [Die schlechtesten GVO] bei Amazon veröffentlicht wurde.
Frage: Wieviele Jahre arbeiteten Sie an der Herstellung von GV-Kartoffeln? Fand diese Arbeit nur im Labor statt oder gingen Sie hinaus zu den Feldern, um sich anzusehen, wie die Kartoffeln wuchsen?
CR: Während meiner 26 Jahre als Gentechniker kreierte ich Hunderttausende verschiedene GV-Kartoffeln, was direkt ungefähr 50 Millionen Dollar kostete. Ich begann meine Arbeit an Universitäten in Amsterdam und Berkeley, setzte sie bei Monsanto fort und arbeitete daraufhin viele Jahre lang bei der J. R. Simplot Company, die eine der größten Kartoffel-Verarbeiter auf der Welt ist. Ich hatte meine Kartoffeln im Gewächshaus oder im Freiland getestet aber selten verließ ich das Laboratorium, um Bauernhöfe oder Versuchs-Stationen zu besuchen. Ich glaubte tatsächlich, daß mein theoretisches Wissen ausreichen würde, um Kartoffeln zu verbessern, Das war einer meiner größten Fehler [oder: Irrtümer].
Frage: Sind die GV-Kartoffeln, die mit Ihrer Hilfe entstanden von der FDA und EPA [Ministerien für Lebensmittelsicherheit und Umweltschutz] in den USA oder woanders auf der Welt zugelassen worden?
CR: Es ist erstaunlich, daß das USDA [US-Landwirtschaftsministerium] und die FDA die GV-Kartoffeln erlaubten und dabei nur unsere eigenen Daten beurteilten. Wie können Behörden davon ausgehen, daß es dabei keine Befangenheit gäbe? Als ich bei J.R. Simplot war, glaubte ich wirklich, daß meine GV-Kartoffeln perfekt wären, genauso wie ein Elternteil glaubt, daß seine oder ihre Kinder perfekt seien. Ich war voreingenommen und alle Gen-Techniker sind voreingenommen. Und das ist nicht nur eine emotionale Parteinahme. Wir haben es nötig, daß GV-Pflanzen [kurz: GVO] zugelassen werden. Es gibt einen gewaltigen Druck, erfolgreich zu sein, um unsere Existenz dadurch zu rechtfertigen, indem wir Modifikationen entwickeln, die Hunderte Millionen an Wert schaffen sollen. Dabei testen wir unsere GV-Pflanzen, um ihre Sicherheit zu bestätigen und nicht um ihre Sicherheit in Frage zu stellen.
Die Anträge an die Behörden für die Deregulierung sind voll mit bedeutungslosen Daten, aber beinhalten kaum irgendwelche Versuche, um unbeabsichtigte Effekte aufzudecken. Zum Beispiel beschreiben die Anträge die Stelle, wo das Transgen [in die DNA] eingesetzt worden ist, aber sie erwähnen nicht die vielen zufälligen Mutationen, die während der Manipulationen durch die Gewebe-Kultur geschahen. Und die Anträge liefern Daten zu Bestandteilen, die sicher sind und um die es nicht geht, wie z. B. die regulären Aminosäuren und Zucker, aber sie geben kaum Messwerte zu den Mengen von potentiellen Toxinen oder Allergenen an. Auch die Kanadischen und Japanischen Behörden erlaubten unsere GV-Kartoffeln, und momentan überlegen auch China, Süd-Korea, Taiwan, Malaysia, Singapur, Mexiko und die Philippinen sie zuzulassen.
Frage: Welche Rolle spielten Sie bei Monsanto und J. R. Simplot?
CR: Bei Monsanto leitete ich ein kleines Team mit 15 Wissenschaftlern, und bei Simplot dirigierte ich die gesamten Anstrengungen zur Gentechnik-Forschung und – Entwicklung (mit bis zu 50 Wissenschaftlern). Mein anfänglicher Schwerpunkt galt der Kontrolle von Krankheiten, aber schließlich zog ich alle [gentechnisch in Kartoffeln einsetzbare] Eigenschaften mit einem kommerziellen Wert in Betracht. Ich veröffentlichte Hunderte Patente und wissenschaftliche Studien zu den unterschiedlichen Aspekten meiner Arbeit.
Frage: Warum verließen Sie erst Monsanto und später dann J.R. Simplot?
CR: Ich verließ Monsanto, um ein unabhängiges Gentechnik-Programm bei J.R. Simplot zu beginnen, und ich verließ J.R. Simplot, als mein „Pro-Gentechnik“-Filter durchlässiger wurde, und seine Zersetzung begann, als ich die ersten Irrtümer entdeckte. Diese ersten Fehler waren noch kleinere, aber sie bereiteten mir ein unbehagliches Gefühl. Mir wurde klar, daß es größere Fehler geben mußte, die vor meinem Blick noch verborgen waren.
Frage: Warum haben Sie entschieden, Informationen über das Versagen von GV-Kartoffeln zu enthüllen, nachdem Sie sie viele Jahre lang hergestellt haben?
CR: Ich widmete viele Jahre meines Lebens der Erzeugung von GV-Kartoffeln, und zu Beginn glaubte ich, daß meine Kartoffeln perfekt seien, aber dann begann ich zu zweifeln. Und wieder brauchte ich viele Jahre, um einen Schritt von meiner Arbeit zurückzutreten, sie neu zu überdenken und die Fehler zu entdecken. Wenn ich auf mich und meine Kollegen zurückblicke, glaube ich jetzt, daß man uns alle einer Gehirnwäsche unterzogen hatte, daß wir uns alle selber eine Gehirnwäsche verpasst hatten. Wir glaubten, daß die Essenz des Lebens ein totes Molekül, die DNA, sei und daß wir das Leben verbessern könnten, indem wir dieses Molekül im Labor veränderten. Wir nahmen außerdem an, daß theoretische Kenntnisse alles seien, was wir benötigen würden, um Erfolg zu haben, und daß eine einzelne Gen-Abänderung immer nur einen beabsichtigten Effekt haben würde.
Man ging davon aus, daß wir die DNA verstünden und wertvolle Modifikationen machen würden, aber der tatsächliche Sachverhalt war, daß wir so wenig über die DNA wußten wie der Durchschnitts-Amerikaner über die Sanskrit-Version der Bhagavad Gita weiß. Wir wußten gerade genug, um gefährlich zu sein, besonders in Verbindung mit unserer Voreingenommenheit und Engstirnigkeit. Wir blickten auf kurzzeitige Vorteile (im Laboratorium), ohne die Langzeit-Defizite (auf dem Acker) in Erwägung zu ziehen. Es war dieselbe Art zu denken, die DDT, PCBs, Agent Orange, das gentechnisch veränderte Rinderwachstums-Hormon (rGBH) und so weiter hervorbrachte. Ich glaube, es ist für die Menschen wichtig zu verstehen, wie wenig Gentechniker wissen, wie befangen sie sind und wie sehr falsch sie liegen können. Meine Geschichte ist nur ein Beispiel.
Frage: Führen GV-Kartoffeln nicht zu größeren Ernten und Knollen?
CR: Ich brachte es irgendwie fertig, die fast tägliche Erfahrung zu ignorieren, daß GV-Kartoffeln nicht so gesund waren wie normale Kartoffeln. Sie waren häufig missgestaltet, in der Entwicklung gehemmt, chlorotisch [krank aufgrund Chlorophyll-Mangels], nekrotisch und steril, und oft starben viele GV-Pflanzen schnell. Einer der Gründe für diese genetische Minderwertigkeit ist, daß GV-Kartoffeln aus somatischen Zellen hergeleitet werden, die dazu bestimmt sind, nur eine Saison lang zu leben (um einen Pflanzen-Stengel oder eine Blatt-Struktur zu unterstützen). Diese Zellen besitzen nicht die genetische Integrität, um neue Pflanzen zu erzeugen (so wie die Ei- und Pollen-Zellen). Indem wir somatische Zellen transformierten, brachten wir also GV-Kartoffeln zustande, die Hunderte genetische Mutationen enthielten, und diese Mutationen beeinträchtigten die Ernte. Zusätzlich haben die genetischen Modifikationen häufig „unbeabsichtigte“ Effekte, die sowohl die ackerbauliche Leistung als auch die Nahrungsmittel-Qualität negativ in Mitleidenschaft ziehen.
Frage: GV-Kartoffeln sollen resistent gegen Druckstellen sein, ist das nicht ein großer Vorteil für die Bauern und die Nahrungsmittel-Hersteller?
CR: Normale Kartoffeln entwickeln leicht Gewebsschädigungen, die Eintrittspforten für Pathogene und Austritts-Stellen für Wasser sind. Ich glaubte, daß meine Kartoffeln widerstandsfähig gegen Druckstellen seien, aber verstehe jetzt, daß ich damit falsch lag. Die GV-Kartoffeln bekamen die Druckstellen genauso leicht wie die normalen Kartoffeln, aber die Druckstellen bleiben verborgen. Sie entwickeln nicht die schwarze Farbe, die den Lebensmittel-Verarbeitern erleichtert, sie zu erkennen und herauszuschneiden. Ich verstand nicht, daß meine Kartoffeln kein Melanin ablagern konnten, [das ist] ein Bestandteil, der bei Verletzungen vor Infektionen schützt. Und noch wichtiger ist, daß ich nicht verstand, daß die versteckten Druckstellen bestimmte Toxine anreicherten, die die Lebensmittel-Qualität gefährden können.
Frage: Sind die Gentechnik-Eigenschaften in den GV-Kartoffeln stabil?
CR: Eine Eigenschaft ist nur stabil, wenn sie in die Umwelt des Pflanzen-Genoms passt. Falls sie nicht passt, was bei GV-Pflanzen oft der Fall ist, wird das Gen vielleicht ausgeschaltet oder neu-kombiniert. Meine Ex-Kollegen bei Syngenta und Monsanto erzählten mir oftmals von ihren (zu wenig berichteten) Problemen mit GV-Mais und GV-Soja-Bohnen, aber keine ihrer Pflanzen waren so instabil wie die GV-Kartoffeln. Zwei der Kartoffel-Eigenschaften sind bereits verloren und mehrere andere scheinen schwächer zu werden.
Frage: Late Blight Resistenz [gegen Kraut- und Knollenfäule] wurde als ein großer Durchbruch verkauft, das ist doch sicherlich der Fall?
CR: Kraut- und Knollenfäule ist eine der sehr wenigen Pflanzen-Krankheiten, die die Vorstellungskraft anspricht, meistens deshalb, weil sie in Europa größere Hungersnöte auslöste, die Millionen Europäer zwang; in die Vereinigten Staaten auszuwandern. Aber das war in den 1840’er Jahren. Kraut- und Knollenfäule ist dort kein großes Thema, wo die meisten Kartoffeln in den USA angebaut werden, was im trockenen Nord-Westen ist, und in den feuchteren Kartoffel anbauenden Regionen stellt Kraut- und Knollenfäule ein kleineres handhabbares Problem dar. Die Bauern dort hätten gerne Zugang zu den Late Blight-resistenten Kartoffeln, aber sie müßten sich immer noch um Dutzende anderer Krankheiten und Schädlinge Sorgen machen, die gleichermaßen schädlich sein können. Außerdem ist die Kraut- und Knollenfäule eines der dynamischsten Pathogene, die die Landwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen. Se ist bekannt dafür, sich schnell um jede Barriere herum hin zu einer Resistenz zu entwickeln. Daher kann die Effizienz eines Gens für Kraut- und Knollenfäule-Resistenz nie garantiert werden, und das Resistenz-Gen kann in jedem Moment durchbrochen werden. Es ist eine Tatsache, daß einige Europäische und Mittel-Amerikanische Stämme die Resistenz bereits durchbrochen haben.
Frage: Sind GV-Kartoffeln weniger karzinogen, so wie es die Gen-Industrie suggeriert?
CR: Ich denke, viele Menschen werden sich selber fragen, sind Kartoffeln karzinogen? Ich meine nicht, daß es irgendwelche Evidenz dafür gibt. Deshalb ist eine sogar interessantere Frage: Warum wurden GV-Kartoffeln als weniger karzinogen beworben?
Frage: Beinhalten GV-Kartoffeln ein rechtmäßig erworbenes Gen?
CR: Ich modifizierte meistens die Kartoffeln unter Verwendung ihrer eigenen DNA. Mit anderen Worten: Ich benutzte die DNA einer öffentlichen Sorte, um daraus eine Sorte mit einem Eigentümer zu machen. Diese Strategie mag ethisch problematisch sein, ist aber rechtlich akzeptabel. Jedoch stammt eines der Gene, die genutzt wurden, um GV-Kartoffeln zu erschaffen, von einer einzigartigen Wild-Kartoffel in Argentinien. Ich glaube, daß die Aneignung und Patentierung dieses Gens ohne die Erlaubnis Argentiniens ein Fall von Bio-Piraterie war.
Frage: Ist es für GV-Kartoffel-Pflanzen möglich, daß sie eine Stummschaltung [silencing/oder:Ausschaltung] von Genen in anderen Kartoffeln oder in Bestäubungs-Insekten bewirken, wie etwa in Bienen?
CR: Das Problem bei Insekten, einschließlich der Bienen, ist, daß sie die kleinen doppel-strängigen RNAs, die die [von den Gentechnikern angestrebte] Stummschaltung bewirken, nicht aufspalten können. Diese doppel-strängigen RNAs waren dazu vorgesehen, in den Knollen mehrere Kartoffel-Gene auszuschalten, aber es ist wahrscheinlich, daß sie ebenfalls im Pollen gebildet werden. Wenn also der Pollen von Bienen verzehrt wird, können die doppel-strängigen RNAs vielleicht Bienen-Gene stilllegen, die versehentlich [eine] Homologie [mit ihnen] teilen.
Frage: Ihr neues Buch „Pandora’s Potatoes“, das diese Woche zum ersten Mal für die Öffentlichkeit verfügbar ist, schließt viele Punkte ein, so zum Beispiel warum die GV-Kartoffeln, die unter Ihrer Hilfe entstanden, nicht von Bauern angepflanzt oder von der Allgemeinheit gegessen werden sollten. Was möchten Sie zur FDA und EPA sagen?
CR: Das Hauptproblem bei dem jetzigen Verfahren zur Deregulierung von GV-Pflanzen ist, das es auf einer Bewertung von Daten basiert, die von den Entwicklern der GV-Pflanzen geliefert wurden. Es gibt einen Interessens-Konflikt. Ich schlage vor, daß die Sicherheit von GV-Pflanzen durch eine unabhängige Gruppe von Wissenschaftlern eingeschätzt wird, die ausgebildet sind, nicht beabsichtigte Effekte herauszufinden.
Das Buch ist jetzt bei Amazon erhältlich.
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Daten des Original-Artikels:
Titel: The creator of GMO potatoes reveals the dangerous truth – exclusive interview. 9. Oktober 2018
Autor: Sustainable Pulse
URL: https://sustainablepulse.com/2018/10/09/the-creator-of-gmo-potatoes-reveals-the-dangerous-truth-exclusive-interview/
Übersetzung mit englischen Begriffen in kursiv und eigenen Anmerkungen [in Eck-Klammern] durch:
GenAG/attac-bielefeld